Vorbereitungstour (Yaounde - Kinshasa)

Yaounde - Kinshasa

Wir hatten wahnsinnig Bock, und es war klar dass als Vorbereitung eine Probetour her muss. Wir wollten den Sattel, den wir für ein Jahr zwischen unseren Backen haben werden, in Extrembedingungen kennenlernen. Dann ging alles schnell – ein Blick auf die Afrikakarte, und schneller als wir denken konnten hatten wir schon die Kredo reingeschoben. Hinflug nach Yaoundé (Kamerun), Rückflug aus Kinshasa (Demokratische Republik Kongo)

 

Das Ding war aber, dass wir den Flug primär gebucht haben, weil er einfach unschlagbar billig war und weniger, weil wir uns über diese Länder besonders gut informiert hatten. Soll heißen, dass uns nicht direkt klar war, dass das nicht unbedingt spaßig werden würde. Wir würden den Äquator mit nahezu 100 Prozent Luftfeuchtigkeit und 40 Grad im Schatten durchradeln müssen, das ganze in der Regenzeit, wussten weder wo und wie oft wir Essen oder Wasser finden könnten, waren uns bewusst dass abgesehen von größeren Tieren nachts um das Zelt herum Schlangen, Skorpione etc. keine Kumpanen zum kuscheln sind und man sich gefühlt vor Hepatitis A-Z in Acht nehmen muss. Außerdem gab es natürlich keine Berichte im Internet, weil wir davon ausgehen dass die Strecke so davor noch niemand mit dem Radl gefahren ist.

Wir hatten die Flüge aber gebucht, die Motivation war voll da, wir haben uns auf ein körperlich und psychisch heftiges “Bootcamp” gefasst gemacht, und weil uns klar war, dass das die perfekte Vorbereitung für die große Tour werden würde, haben wir uns guter Dinge auf die Socken gemacht. „Ihr seid ja vollkommen bescheuert“ war die positivste Form des Zuspruchs, die wir davor erhalten haben. Wasever.

 

Als wir uns in der Hauptstadt Kameruns mit unseren Freiburger City Bikes getroffen haben, war die Reunion groß und die Reise sollte noch größer werden. Am nächsten morgen sind wir kurz nach Sonnenaufgang in die absolute Freiheit gestartet. Wir wussten weder wo wir schlafen würden, wie uns die Leute entgegentreten würden, oder wo wir das nächste Mal Nahrung und Wasser bekommen würden.

Schon ein paar Kilometer außerhalb der Großstadt konnten wir den Urwald riechen, die Bäume haben surreale Ausmaße angenommen, überall hingen Lianen, Affen haben gebrüllt, ein Mann hat uns einen Skorpion und ein Chamäleon gezeigt die er im Dschungel hatte und wir haben haufenweise Schlangen gesehen, die meisten davon glücklicherweise tot auf der Straße.

Schon nach wenigen Tagen durch den Süden Kameruns haben wir die Grenze zu Gabun erreicht, eins der wohlhabendsten und sichersten Länder Afrikas, reich an Öl und vielen anderen Bodenschätzen, für Lambaréné und Albert Schweizers Urwaldkrankenhaus bekannt und ein Land mit einem vom Äquator durchzogenen und von Gorillas, Schlangen und Elefanten bewohnten Dschungel. Für uns war es aber auch ein verdammt ungewisses, weil es mit knapp der Fläche Deutschlands recht groß, dafür aber mit 1,5 Millionen Einwohnern gerade einmal die Einwohnerzahl Hamburgs hat, was ein Indiz dafür war, dass es mit Trinkwasser, Nahrung und Unterkünften eher mau aussieht. Tatsächlich war auch das einzige, das man wirklich an jeder Ecke bekommt allerdings Bier und Maniok, der geschmacklich wirklich schwer zu untertreffen ist.

Trotz der sprachlichen Barriere waren die Menschen so offenherzig, so interessiert und neugierig, dass wir mit massenweise Gabunesen in Kontakt kamen. Nachdem wir unser leicht eingerostetes Französisch wieder auf Grundschulniveau hochgepäppelt hatten konnten wir uns auch echt einigermaßen unterhalten.

Nach Ankunft an unserer Tagesetappe wurde uns meistens vom „Chef du village“ eine Unterkunft oder ein Platz (meistens der Dorfplatz) für unser Moskitonetz geboten, oder wir wurden von Familien in Dörfern eingeladen, die uns aufgenommen haben wie verschollene Söhne, bei ihnen zu schlafen oder mit ihnen in den eingeräucherten Wellblechhütten zu essen.

Gelegentlich wurde uns in den Dörfern ein 4qm Chambre mit Gewächshausfeeling und einer Armee kampfbereiter Moskitos angeboten, das wir aus Gründen wie Pumas im Dorf oder sintflutartigen Gewittern auch manchmal trotzdem gerne angenommen haben. Wenn es sich angeboten hat, haben wir aber einfach unser Moskitonetz an einen Baum gehängt und frei unter dem heftigsten Sternenhimmel geknackt, den man sich nur irgendwie vorstellen kann.

Simultan mit dem Schild „Republique du Congo“ ist die asphaltierte Straße Gabuns in einen Feldweg übergegangen. Wir sind zwei Tage nach den kongolesischen Präsidentschaftswahlen eingereist. Nachdem Denis Sassou Nguesso, der mit fünfjähriger Unterbrechung das Land seit 1979 regiert, in einer umstrittenen Volksabstimmung die Verfassung geändert hat, um nochmal kandidieren zu dürfen, hat er sich mit 60% der Stimmen seine dritte Amtszeit gesichert. Deshalb haben wir bei der Einreise oft gehört, dass wir Acht geben sollten, dass die Leute absolut crazy sind, und es nach Wahlen die letzten Male immer zu Aufständen gekommen sei. Nguesso hat dann allerdings auf ein bewährtes demokratisches Mittel zurückgegriffen und einfach das gesamte Mobilfunknetz sowie Internet ausgeschaltet, um Aufständen vorzubeugen.

Man hat den Leuten die Anspannung angesehen, wir wurden von einem Oppositionellen gebeten, als Journalisten in Europa über die Ungerechtigkeit im Kongo zu berichten, und es gab kleinere Auseinandersetzungen mit verzweifelten Leuten auf der Straße.

In Gabun haben wir den Äquator überquert, aber neben der unfassbaren Hitze und der rein körperlichen Anstrengung hat uns der Kongo aber auch sonst auf die Probe gestellt. Endlose Kilometer matschiger, aufgeweichter Schlammpisten waren eine echte Nervenprobe, wir mussten die Bremsen aushängen und die Schutzbleche abnehmen weil der Schlamm alles verklebt hat, und trotzdem kamen wir auf den überschwemmten Pisten oft nur ein paar Kilometer, nämlich schiebend, vorwärts. Außerdem hatten wir Probleme mit unserem Wasserfilter, und waren ab dort mit einem chronischen Durchfall unterwegs, Gelegenheiten, was anständiges zwischen die Kiemen zu bekommen, haben sich minimiert, und Polizisten wollten sich an jeder Ecke schmieren lassen. Wegen der ultra aufgeweichten Pisten kamen und kaum Fahrzeuge entgegen, nur der ein oder andere Militärtruck, vollgestopft mit bis unter die Zähne bewaffneten Soldaten mit Sturmmasken, bei welchen wir insgeheim immer ein bisschen gehofft haben dass das nicht gerade der Boko Haram Partybus ist.

Wir waren trotzdem in feierlicher Stimmung, die Landschaft hat sich vollkommen gewandelt, wir haben neue Bekanntschaften gemacht, und obwohl es eine heftige Schinderei war, waren das genau die beschissenen Bedingungen, in denen wir uns selbst als Vorbereitung testen wollten.

Nach der Strecke von Pointe Noire nach Brazzaville, die zwar teilweise asphaltiert ist, dafür aber so gefährlich ist, dass sie nachts vom Militär gesperrt wird, haben wir uns die letzten bergigen Kilometer geknechtet, bis wir einen kleinen Kamm erreicht haben, der uns ein unbeschreibliches Gänsehautfeeling gegeben hat: der Kongo, der wasserreichste Fluss Afrikas, hat sich durch die unberührte Natur geschlängelt, unter uns lag Brazzaville, die Hauptstadt der Republik Kongo, und auf der anderen Seite des gewaltigen Kongobeckens hat sich Kinshasa, die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, mit ihren 11 Millionen Einwohnern bis zum Horizont erstreckt.

Am Militärposten Brazzavilles wurden wir noch mal rausgezogen. 20 baumgroße tief dunkelhäutige Typen standen im Kreis um uns herum, und haben die Fahrräder angefasst und bestaunt wie Sportwägen während sie die Kalaschnikovs um die Schultern baumeln ließen und Handgranaten in den Brusttaschen ihrer kugelsicheren Westen eingesteckt hatten wir Kugelschreiber. Der Chef der Versammlung saß mit dem Rücken zu uns auf einem Stuhl, und hat sich mit einer Nagelschere und einem Handspiegel den Bart geschnitten, während er irgendwelche unverständlichen Anweisungen genuschelt hat.

Nach der Überfahrt über den Kongo haben wir uns in Kinshasa mit Tom, einem Couchsurfing-Host getroffen.

In Brazzaville gab es leider ein paar Stunden nach unserer Abreise eine Schießerei mit 20 Toten, wobei wir einerseits reichlich Glück hatten, die Stadt schon verlassen gehabt zu haben, andererseits hat sich so auch ein anderes, erschreckendes Gesicht Afrikas gezeigt.

Tom hat uns, abgesehen davon, dass er ein ultra geiler Gastgeber war, auch die Möglichkeit geboten, nochmal richtig zu chillen, und wir haben uns über ein Bett und jeden Kaffee gefreut wie ein Kardinal im Kindergarten, nachdem wir in Brazzaville 5 Tage auf dem Hinterhof eines Hotels geknackt haben. So hatten wir auch nochmal Zeit, das klassische Touri-Programm in Kinshasa abzuziehen. Das da beinhaltet, einmal am Kongo ein Bier zu trinken, Durchfall zu bekommen, sich einmal von korrupten Polizisten ausrauben zu lassen und jede Menge Zeug zu kaufen. Wir hatten auch ein paar coole Abende mit einem Schweizer, der mit dem Motorrad unterwegs war, sodass wir bei ein paar Bieren alle reichlich zu erzählen hatten.

Rückblickend haben wir aus dieser Tour viel, viel mehr mitgenommen, als wir je erwartet hätten und sind jetzt nochmal mehr darin bestärkt, ein Jahr mit dem Fahrrad auf Tour zu gehen. Erwartet haben wir ein Bootcamp mit täglicher Schinderei auf dem Fahrrad, Leuten, die nichts anderes im Kopf haben, als uns abzuziehen und Frust ohne Ende.

Bekommen haben wir einen Einblick in einen atemberaubend schönen Kontinent, mit einem Djungel voll von wilden Tieren, und Menschen die nicht hätten strahlender und freundlicher sein können und die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass wir auf Wolke 7 aus unserer Tour geschwebt sind. Was die Strapazen angeht, wurden wir nicht enttäuscht, aber in den Momenten, in denen wir abgeschafft vom Tag unter dem afrikanischen Sternenhimmel saßen, mit Horden kleiner Kinder zu Billy Joel getanzt haben, erstaunlich gutes Bier getrunken haben und dabei von den Moskitos geknechtet wurden, ist jede Unannehmlichkeit in den Hintergrund gerückt und wir haben uns unglaublich lebendig gefühlt. Reisen als beste Droge der Welt.

 

Cheers.

Felix und Benny