Leider sind Timing und Blogschreiben überhaupt nicht unsere Kernkompetenzen, die beschränken sich eher auf stummes Leiden auf dem Fahrradsattel. Nachdem wir uns zu Hause wieder von der vollen Bandbreite an Ablenkungen haben einlullen lassen, kommt hier jetzt doch endlich der letzte Artikel.

Leider sind Timing und Blogschreiben überhaupt nicht unsere Kernkompetenzen, die beschränken sich eher auf stummes Leiden auf dem Fahrradsattel. Nachdem wir uns zu Hause wieder von der vollen Bandbreite an Ablenkungen haben einlullen lassen, kommt hier jetzt doch endlich der letzte Artikel.
Wir sind am 24.03. in Kairo angekommen, nach exakt vier Monaten, neun Ländern und 11.823 Kilometern. Kairo, die größte Stadt Afrikas mit einem Charme, der genauso abgefuckt wie reizend ist, und das große Ziel am Ende unserer Reise. Wir haben es geschafft, diesen Moment haben wir uns verdammt oft herbeigesehnt, als wir unzählige Male auf die Zähne beißen mussten, krank waren, oder am ganzen Körper Krämpfe hatten.
Die Gefühle, die auf uns eingeströmt sind, als wir im Polizeikonvoi die Pyramiden von Gizeh das erste Mal am Horizont zu sehen bekamen, die Wolkenkratzer der Kairoer Innenstadt immer größer wurden und wir letztlich auf dem Tahir Platz mitten in der Hektik vom Rad abstiegen, lassen sich eigentlich nicht reproduzieren. Ein erhebendes Gefühl, ein richtiges Gänsehautfeeling. Wir wollen nicht zu viel Pathos in die Sache reinbringen, aber für uns ist in dem Moment ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen und die emotionale Belastung der letzten Monate ist schlagartig von uns abgefallen.
Die vorherrschenden Emotionen waren aber nicht nur Erleichterung. Wir hatten den Traum, Afrika mit dem Fahrrad zu durchqueren, ein Traum, der auch ein klares Ziel hatte, das wir unbedingt erreichen wollten. Trotzdem bedeutete die Ankunft in Kairo auch das Ende einer wahnsinnig geilen Zeit, einer Zeit für’s Leben und eben nicht nur die Erfüllung, sondern genauso das Ende dieses Traums.

Als wir im Oktober Kapstadt verlassen haben, war das ein verdammt komisches Gefühl. So muss man sich fühlen, wenn man morgens zu spät in die Schule kommt und merkt, dass man nackt ist. Mega
unpassend.
Kairo, das klang so surreal. Man konnte aus hundert Metern Entfernung unsere grenzenlose Ahnungslosigkeit riechen, als die ersten Vogelstrauße die Straße gekreuzt haben, wir uns in den nagelneuen Klickpedalen verhakt haben und wir am Kap der guten Hoffnung nebeneinander volle Breitseite auf dem Asphalt geklatscht sind. Bei einem Bier in Kapstadt haben wir eine Reiseleiterin kennengelernt, die Touren in ganz Afrika leitet und uns Fragen gestellt hat wie: "Was macht ihr denn, wenn ihr mal eine Woche kein Wasser findet?", „Was macht ihr, wenn ihr irgendwo im Busch ausgeraubt werdet?", "Wie schützt ihr euch gegen wilde Tiere?", "Wisst ihr überhaupt, dass man nicht so ohne Probleme Servus sagt und über die Grenzen rollen kann?"
"Honey, ich glaube wirklich, ihr könnt da nicht mit dem Rad durchfahren", war ihr Resummée des Gesprächs, bevor wir in unseren dämlichen Funktionshosen aus der Bar gestolpert sind.
Schon nach zwei Tagen tat der Hintern weh, die Beine waren angestrengt, wir haben auf irgendeiner südafrikanischen Farm auf dem Boden gepennt, und mit einem Blick auf die Weltkarte haben wir dieser Endlosigkeit das erste Mal wirklich in die Augen geblickt. Da lag einfach ein ganzer Kontinent vor uns. Wir haben uns oft gefragt, wo wir uns da reingeritten haben, als es Tag für Tag heißer wurde und die Räder die ersten Pannen hatten.
Ein erstaunliches Phänomen, das wir schon oft erlebt haben, ist, dass jede Situation in der man kämpfen muss und in der man an seine eigenen Grenzen kommt, positiv in Erinnerung bleibt. Man erinnert sich kaum daran, wie schwach wir uns manchmal gefühlt haben, wie wir uns kraftlos, lustlos, dehydriert oder sonnenverbrannt monoton stundenlang durch die Wüste kämpfen mussten. Im Kopf bleibt davon nur ein Bild, über das man im Nachhinein lachen kann. Wirklich bleiben tut aber die Erinnerung daran, wie wir dann irgendwo ankamen, wie Leute uns Früchte und Wasser geschenkt haben, und uns so herzlich aufgenommen haben.
Zu Ägypten gehören alte Steine natürlich wie Ameisen in die Datteln. Auch wenn wir uns sonst eher chronisch von Tourihochburgen ferngehalten haben, sind wir entlang des Nils noch ein bisschen in den Fußstapfen von Ramses 1-25 rumgeturnt, um nicht so kurz vor dem Ziel doch noch enterbt zu werden. Der ägyptischen Polizei hat die Radtour aber überhaupt nicht in den Kram gepass. In Ägypten, wo die größte Gefahr ist, dass man auf einem Falafel ausrutscht, sind wir die letzten 600 km nonstop von der Polizei eskortiert worden. Am Anfang war es immer nur ein Auto, später dann zwei. Eins was vor uns und eins hinter uns. Am Anfang war es auch irgendwie witzig, dass zwei bis obenhin vollgestopfte Streifenwagen warten, bis man vom Pinkeln wiederkommt, aber irgendwann war es auch echt nervig. Einer muss pinkeln, die ganze Gruppe wartet. Benny springt mit Magenproblemen ins Gebüsch, die ganze Gruppe wartet. Felix schmiert sich wieder Sonnencreme in die Augen, und die ganze Gruppe wartet. Morgens um sechs stand, wenn wir nicht auf der Polizeistation schlafen mussten, schon ein Streifenwagen mit vier müden Polizisten vor unserem Hotelzimmer, Abends wollten sie mit zum Abendessen kommen, weil es wohl zu gefährlich sei, und pinkeln durften wir irgendwann auch nicht mehr alleine. Irgendwann konnte das, so nett die Polizisten auch waren, schon auf die Nerven gehen. Also, niemals zu zehnt Afrika durchqueren, so gern die Ägypter auch dabei sein würden. Aber gut. Muss jeder selbst wissen, wofür er seine Steuern verbrennt. Wasever.
Obwohl Arschschmerzen mittlerweile Teil unserer Persönlichkeit geworden waren, haben wir uns entschieden, die Tour noch abzurunden, indem wir uns dazu entschlossen haben, nach Hause zu radeln. Um Syrien zu vermeiden, sind wir über das Mittelmeer nach Istanbul geflogen, und von dort in zwei Wochen durch die Türkei, Serbien, Bulgarien, Ungarn, Österreich und Deutschland bis vor die Haustür in Freiburg geradelt. Jetzt sind wir wieder daheim, genießen den deutschen Regen, bereiten einen kleinen Vortrag vor, den wir in München und Freiburg halten werden, und versuchen, irgendwie wieder in den Alltag einzusteigen.
Zuletzt noch ein wahnsinnig dickes fettes Dankeschön! Danke an unsere Mütter, die organisatorisch Teil der Tour waren, und vor allem Danke an alle, die gespendet haben, wir haben uns über jede Spende wahnsinnig gefreut. Und last but not least. Danke Afrika! Danke für deine lachenden, tanzenden, gastfreundlichen Bewohner - die das absolute Highlight dieser Reise waren.
Benny und Felix