Am 15.11. haben wir Windhoek nach ein paar feierlichen Tagen und Nächten verlassen. Hatten aber, weil das Vertrauensverhältnis zu unseren Rädern mitlerweile ziemlich geschädigt war, ein bisschen Bammel vor der Weiterfahrt.
Unsere anfängliche Dysphorie hat dann aber ein schnelles Ende gefunden. Flora und Fauna haben noch mal voll aufgedreht, die zuvor so karge und trostlose Landschaft im Süden Namibias wurde saftig, grün, mit verschiedenen Tieren hinter jeder Kurve. Oryxe, Warzenschweine, Chamäleons, Antilopen, Skorpione, Affen und riesige Schlangen. Eine ist uns besonders im Gedächtnis geblieben. Es war eine riesige, fette gestreifte Schlange, die sich träge und vollgefressen vor uns langsam über die Straße geschlängelt hat. Das biblische Bild von uns, wie wir versonnen der Schlange hinterherblicken, hat dann leider einen kleinen Knick erlitten, als ein LKW mit 120 Sachen angepest kam und die Schlange planiert hat.
Dazu kommt, dass der Norden Namibias viel unberührter ist, und langsam das Afrika begonnen hat, auf das wir uns gefreut hatten. Im Gegensatz zu den auf amerikanisch machenden Wüstenkaffs im Süden leben hier einheimische Stämme, wie die Ovambo-Völker.
Das ganze Leben spielt sich draußen ab, Früchte werden auf der Straße verkauft, man lebt mit Ziegen, Schweinen und Kühen unter einem Dach, Kinder lachen und brüllen, wenn sie neben unseren Rädern herlaufen. Morgens haben wir einmal acht Frauen hinten auf einem Pickup sitzen sehen, die gerade auf dem Weg zur Arbeit auf dem Feld waren, und alle haben mit Flair und Taktgefühl im Chor gesungen, geklatscht, getrommelt. In solchen Morgenstunden weiß man, wozu man so eine Tour mit dem Rad macht.

Namibia ist ein riesiges Land, mit sehr wenig Bevölkerung, die 2000 km, die wir allein in Namibia zurückgelegt haben, sind genauso weit wie von München bis Ankara. Diese geringe Bevölkerungsdichte ist wahrscheinlich ein Grund für die so unfassbar hilfsbereite Mentalität. Und wir sind wirklich mit Vollgas in den Genuss dieser Mentalität gestrampelt.

Angefangen hat das alles mit Tamara und Gilmar, der Verkörperung der Gastfreundschaft, und dazu der Lockerheit in Person. 10 km von Otavi entfernt steht die Farm Thoningii, in einem grünen Tal mit Wineyards, eine der drei einzigen Weinfarmen in Namibia. Absolut selbstlos, dazu ohne uns überhaupt zu kennen, haben die beiden uns einen Tag beschert, nach dem es uns wirklich schwerfiel, uns zu verabschieden, weil wir uns direkt wie zuhause gefühlt haben.
Am nächsten Tag sind wir mit unserer immer noch halbstarken Hinterradachse bis kurz vor Grootfontein geeiert, bis die vollkommen den Geist aufgegeben hat, und wir nach den letzten Metern in der Dunkelheit wortwörtlich eingelaufen sind. In Grootfontein hat uns ein Junge angeboten, dass wir bei ihm im Slum unser Zelt aufbauen können. Er fand die Idee gut, wir auch, aber Sean Louis, der Apotheker von Grootfontein, gar nicht, hat uns direkt mit nach Hause genommen und zum Essen und Pennen in seinem Gästezimmer eingeladen. Auf zwei Farmen, bei denen wir nur unseren Wassersack auffüllen wollten, wurden wir mittags direkt auf Essen und Getränke eingeladen, und auch bei der Lodge von Tamaras Schwester wurden wir auf eine Bootstour über den Okavango, den Grenzfluss zu Angola, mit Krokodilen und Whiskey Cola im Sonnenuntergang mitgenommen.

Bei der Lodge wurden wir auch direkt von Bärbel und Jens, zwei jungebliebenen Fulltimereisenden, adoptiert. Die beiden haben den Vogel wirklich abgeschlossen. Sie haben uns erst zu einem
oppulenten Brunch eingeladen, abends zum Chili con Carne mit Zebralende am Lagerfeuer, und haben uns danach den ganzen Abend an der Bar freigehalten.
Wir hoffen echt, dass wir uns irgendwann mal bei den ganzen Leuten revanchieren können, denen wir die Haare vom Kopf gefressen haben und die uns die Zeit in Namibia so versüßt haben.
Wie man merkt, haben wir teilweise ein bisschen das Thema unserer „Abenteuerreise“ verfehlt und sind wie die Robinson Club Gold Card Members nur noch von Brunch zu Brunch und von Einladung zu
Einladung getingelt.
Dem ein Ende setzend, ist uns dann irgendwann eine Sicherung durchgebrannt, und wir haben beschlossen, an Bennys Geburtstag in Lusaka zu sein, was zu einem ziemlichen Marathon wurde. Wetter,
Straßen und Bikes haben dazu ihr Bestes gegeben, unsere Nerven noch mal bis zum Zerreißpunkt zu strapazieren.
Gegenwind. Immer Gegenwind. 40 Grad, auf die wegen kommender Regenzeit heftigste Wolkenbrüche gefolgt sind, die uns bis auf die Knochen durchnässt haben, dazu Moskitos ohne Ende, abends krampfen
die Beine, und eine Straße, die so viele Schlaglöcher hat, dass es sich angefühlt hat, als würde man im Einkaufswagen eine Wendeltreppe runterfahren.

Und dann die Platten. Alter Walter. Die haben uns wirklich den letzten Nerv gekostet. Unsere Reifen waren nach knapp 3000 Kilometern schon so abgefahren, dass wir sie mit Gaffatape von innen verstärkt haben. Hat aber leider auch nicht viel geholfen, und wir hatten trotz Teerstraßen jeden Tag mehrere Platten. Im Stau stehend sieben streitenden ADHS-Kindern im Alter von 3-8, die sich der Reihe nach am Zigarettenanzünder verbrennen, zu erklären, dass Weihnachten für immer ausfällt, wär bestimmt weniger nervenaufreibend gewesen, als das Flicken des 40. Platten in der prallen Mittagssonne.
Wir waren wirklich das ein oder andere Mal kurz davor, einfach in den Wald zu laufen und uns zu vergraben. Gut, dass wir zu zweit sind und einer immer noch ein bisschen Restrationalität bewahrt hat.
Außerdem haben wir irgendwann den Punkt verpasst, an dem wir hätten anfangen müssen, das Wasser zu filtern. Deswegen haben wir in Felix Geburtstag auf dem Pott reingefeiert, was aber nicht weiter tragisch war - und ab jetzt wird abends wieder fleißig gefiltert.
Das Freiheitsgefühl war aber unser ständiger Begleiter. Wir sind langsam in der Routine, und das Radfahren macht Bock, rolling rolling.