4. Danke Sambia. (Katima Mulilo - Chipata)

Nachdem wir früh morgens von dem namibianischen Emigrationsposten, in dem die Stimmung mal wieder fritzlgemäß im Keller war, nach Sambia gefahren waren, ging nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes die Sonne auf. Wir waren in Afrika angekommen, endlich. 

 

 

Begrüßt wurden wir von lachenden Kindern, freundlichen Menschen, einer saftigen, grünen Landschaft und dem Spirit Afrikas.

In der ersten Ortschaft haben wir ausgiebig Ei, Wurst, Brot und Tee für 2 Euro gefrühstückt, English Breakfast. Jedes Land hat von seinen ehemaligen Kolonialherrschern ein kulinarisches Erbe behalten. Namibia Würste, Gabun Baguette und Madeleines, und Sambia hat von der britischen Besatzung übernommen, dass wirklich alles gleich schmeckt. So dass das Schmackhafteste, das wir in der ersten Woche gegessen haben, definitiv die Malariatabletten waren. Aber das war egal, weil wir wieder auf der Glückswelle gesurft sind. Wir saßen mit unserem English Breakfast vor der Wellblechhütte, die von oben bis unten mit der Aufschrift „Restaurent“ bekleistert war, Rauch kam aus den Buden und hat die ganze Szene in Nebel getaucht. Ein Mann kommt gegenüber mit einem gackernden Hahn in der Hand aus der "bakery" gelaufen, grüßt die Frau in langem bunten Gewand, die dabei ist, ihre kleinen kiddies in einer Wanne zu baden, über die Straße laufen ein paar Ziegen, Schweine und ein Mann auf einem Ochsenkarren, der stehen bleibt und uns grüßt, und eine Frau steht links von uns, eine Brust heraushängend, ein Baby im linken Arm, und mit dem rechten schüttelt sie einen triefenden Fisch in der Luft und ruft "Fish Fish Fish!". Danke Sambia. 

 

Sambia ist Bilderbuchafrika.

 

 

 

Relativ bergig mit vielen kleinen Dörfern, durch die sich von West nach Ost eine Straße durch grüne Berge schlängelt, und freundliche Menschen, dass' kracht.

Wie ist es, durch Afrika mit dem Fahrrad zu fahren, den ganzen Tag draußen zu sein, nie zu Hause anzukommen, unter Sternenhimmel zu schlafen, sich immer Essen suchen zu müssen, einheimische Gerichte in Wellblechhüttten zu futtern, weiterzufahren, wenn die Beine brennen und der Arsch schon lodert?

Das versuchen wir in einem Tag in Sambia zusammenzufassen:

Es ist 5.30 Uhr, draußen fängt es langsam an zu dämmern, und ein Hahn macht gerade seine armseligen ersten Versuche, dem Dorf mit seinem heiseren Krächzen auf die Nerven zu gehen. Schlechte Laune auf beiden Seiten des fleckigen Doppelbetts in der kleinen schmutzigen Kammer,  liebevoll möbliert mit Matratze, einer grellen Glühbirne an der Decke und einem Poster von einem Jesus, der aussieht wie auf einem LSD-Trip hängengeblieben.

Bis uns irgendwelche Country Mucke aus unserem Handy endgültig aus dem Schlaf reißt. Vor 4, 3, 2, und einer Stunde lagen wir eh schon wach, das T-Shirt feucht geschwitzt und vor Mückenstichen aufgekratzte Morbus-hansische Knöchel. Immer noch vollkommen verpennt, schieben wir auf die Straße, vorbei an dem Hahn, der seine Rolle mal wieder komplett übertreibt und seit 3 Stunden die Schnauze nicht gehalten hat, und Kindern mit unverschämt guter Laune, die uns Mangos schenken wollen.

Die Sonne geht gerade auf, wir verabschieden uns und winken nach links und rechts, bevor wir uns auf’s Rad schwingen.

Nach 30 Kilometern gibt’s ein Mangofrühstück in der milden Morgensonne. Nachdem wir jeder 10 Mangos gegessen haben, ist die gute Laune endgültig wiederhergestellt. Ein Tag, der so beginnt, kann gar nicht mehr scheiße werden. Die Mangos sind auch ein Grund, warum Sambia grade zu unserem Lieblingsland avanciert. Es gibt reife, saftige Mangos. Überall. Manchmal muss man sie nur noch aufsammeln, wenn nicht, bekommt man sie von Sambianern geschenkt oder kauft sie eimerweise.

 

 

 

Nach dem Frühstück verfliegen die nächsten 50 Kilometer geradezu, begleitet werden wir in jedem Dorf von schreienden Kinderscharen, die winkend aus den Hütten gerannt kommen und „Muzungu“ und „how are you“ rufen.

Bilder gibt’s davon keine. Die Kiddies sind zwar allesamt verdammt putzig und strahlen uns an, haben aber panische Angst vor Kameras, weil sie denken, dass Kameras ihre Seele essen würden.

Wenn der Tag so weit fortgeschritten ist, dass uns die Birne für eine Mittagspause ausreichend weichgekocht ist, versuchen wir noch mal, was zu futtern zu finden.

Meistens auf einem dieser lauten, aufregenden, afrikanischen Märkte, auf denen man von Hühnerköpfen bis Kindersoldaten alles kaufen kann. Je nach Größe des Dorfes gibt es entweder Teigbällchen, die aussehen und schmecken wie frittiertes Sodbrennen oder Nshima mit Bohnen und Meat, was echt megamäßig schmeckt, solange man nicht nachfragt, was für Fleisch das genau ist. Die Antwort darauf ist nämlich meistens Bushmeat, was im Klartext heißt, dass sie selber nicht so genau wissen, was es ist, sie es aber halt im Wald gefunden haben.

 

 

 

An jeder Ecke gibt es ein Restaurant, alle verkaufen das gleiche. Nshima mit Soup, sowas wie Bratensauce, manchmal dazu auch „Braten“, der meistens nur aus Innereien besteht. Wir laufen gebückt in die Hütte, in der eine Frau nägelkauend auf einem Stuhl sitzt. Nichts zu tun haben die hier, absolut nichts. Nach der Hauptspeise Nshima, einer Art Grießbrei, und den anschließend obligatorischen Mangos, sind wir bis unter die Augen mit Mangosabsche verschmiert, und lutschen unsere von Kettenöl und Mangos schwarz-orangenen Finger ab. Auch wenn wir nach all unseren Möglichkeiten mitgeholfen haben, abzuwaschen und aufzuräumen, sieht das Restaurant nach unserem Besuch aus wie nach einem ausladenden Familienfest. Ähnlich gebührend verabschieden wir uns auch, bevor wir uns wieder den Hut ins Gesicht ziehen, uns eine kleine Nachladung 50er Sonnencreme in die Augen schmieren und auf's Rad steigen. Wohin fahrt ihr denn am Ende? Fragt die jetzt vor dem Laden in ihrem Schaukelstuhl liegende Köchin. Nach Kairo! Rufen wir selbst zurück, und sehen sie noch den Kopf schütteln, über die Deutschen, die nichts zu tun haben, absolut nichts.

 

 

Man könnte meinen, dass die ewigen „Muzungu“, was so viel heißt wie Weißer Mann, und „how are you“ Rufe irgendwann auf den Sack gehen. Ist aber nicht so. Mit süßen kleinen Kindern ist es wie mit Mangos, die werden nie langweilig.

 

 

 

 

 

 

Was dagegen wirklich voll auf den Sack geht, ist das allabendliche Musikgeplärre. Soweit wir das überschauen können, ist die Grundvoraussetzung für ein Dorf in Afrika nicht etwa ein Brunnen oder Strom, sondern, dass irgendeine Nervensäge ankommt und meterhohe Boxen aufbaut, aus denen dann Tag und Nacht „Musik“ dröhnt. Katastrophe. Manchmal gibt es im ganzen Dorf keine kühlen Getränke, weil die Kühlschränke nicht funktionieren, und gekocht wird im Kerzenlicht. Aber die Musik läuft.

Das Problem liegt aber wahrscheinlich bei uns, und unsere Verachtung für kreischende Musik resultiert daraus, dass wir genau einen Tanzmove haben, der daraus besteht, dass wir das Gewicht vom einen aufs andere Bein verlagern, den klassischen Pinguin, wohingegen Afrikaner den Rhythmus und das Tanzen im Blut haben.

Wir fahren weiter auf der schnurgeraden Straße, die irgendwo ins Nichts ausläuft, die ersten Sterne sind in der Dämmerung am Himmel zu sehen, eine einzelne kleine Wolke hängt vor uns am Horizont, aus der in regelmäßigen Abständen Blitze schießen, die kurz die Straße erleuchten. Im nächsten Dorf stoppen wir, werden von 15 um uns wuselnden Kindern begrüßt, die "how are you, how are you, how are you" im Chor trällern und zwar in den Stimmlagen Piepston, Kindergarten bis Vorpubertät. Gefolgt werden die kleinen Stinker von drei auch kichernden Frauen, zwei von ihnen stillend, und die dritte einfach just for fun mit heraushängender Brust. Trendy. "Frauen" ist auch relativ, wir haben das Gefühl, dass sich afrikanische Girls meistens auf dem äußerlichen Alter von 20 Jahren einschießen. Eine 14-Jährige ist nicht immer von einer 26-Jährigen zu unterscheiden, und schwanger sind in der Regel auch beide. Nach einem netten Hin und Her, wie sie heißen, wo wir hinwollen, und der ultimativen Mutprobe der Kleinen, wer sich zuerst traut, die beiden weißen "Muzungus" an den Beinhaaren zu ziehen, gehen wir, gefolgt von der Meute, zum chief of the village, häufig auch einer Frau, um nach ihrem Einverständnis zu fragen, unser Zelt hier zwischen den Hütten für die Nacht aufzuschlagen. Nachdem uns noch die oft ein paar Kilometer entfernte Wasserstelle gezeigt wird, kehrt von einer Minute auf die andere absolute Ruhe ein. Hier und da grunzt mal noch ein Schwein, sonst absolut nichts. Kein Licht, kein Mensch, kein Auto. Die ganze Welt scheint zu schlafen, wir sitzen unter einem riesigen Vorhang von Sternenhimmel neben unserem Zelt auf den Lehmstufen vor einer kleinen Backsteinkirche, genug Licht durch den halbvollen Mond, snacken corned beef mit Brot und Mangos, und lesen. In unserem Hemingway Buch stand, dass er immer corned beef mit rohen Zwiebeln isst. Ernest, du verdammtes Genie!

 

 

Zum Schluss noch zwei kurze Anmerkungen:

 

Das Problem mit den Dauerplatten hat sich jetzt endgültig erledigt. Susanne hat gezaubert und hat es irgendwie geschafft, innerhalb von einer Woche neue Reifen nach Lusaka zu schaffen. Keine Ahnung, wie das gehen soll. Das ist Magie. Falls also irgendjemand irgendetwas irgendwohin gebracht haben will. Vollkommen egal was. Eine Atombombe in’s Weiße Haus. Oder Menschenrechte nach Nordkorea. Susanne macht’s möglich. Danke! Die neuen Reifen sind übrigens gegen alles immun. Scherben, Nägel, Dornen und Panzerfäuste, was für den Sudan noch wichtig werden könnte. (nur ein Witz, Mama...)

 

Hat unser Freund Malte, seines Zeichens der schlauste Mensch der Welt, während wir bisschen Velo fahren, einfach mal einen Studienplatz in Oxford klargemacht. In Oxford. Falls also jemals irgend ein Zweifel bestanden haben sollte, wer der heftigste Typ aller Zeiten ist, wäre das hiermit auch geklärt. Bleib geil, Malte! Und wir hoffen, du hast später auf deiner Couch einen Schlafplatz für uns frei.

 

 

 

In diesem Sinne, feel free zu spenden. Wir freuen uns über jeden Cent und Afri und die süßen Kinder freuen sich auch.

 

Gruß und Kuss

 

Erndt und Ferndt

P.S.: Wir müssen unseren Zweitpass mit den Visa für Äthiopien und den Sudan irgendwie bis Anfang Januar nach Nairobi bringen. Falls also jemand jemanden kennt, der nach Nairobi fliegt, wär das megamäßig,  weil wir ansonsten entweder über den Südsudan oder Somalia ausweichen müssen, beides Länder, von denen wir gehört haben, dass dort die Fahrradwege nur unregelmäßig gefegt werden.